Pilotprojekt Abwasserverband Saale
Projektbeschreibung
Eine zukunftsfähige Abwasserentsorgung muss einerseits den Anforderungen des Gewässerschutzes entsprechen und andererseits wirtschaftlich und sicher betrieben werden. Der demografische Wandel und der Rückgang abwasserintensiver Industriezweige sind in Oberfranken besondere Herausforderungen, die bereits ein Absinken der kommunalen und regionalen Wirtschaftskraft hervorgerufen haben.
Über ein Pilotprojekt im Rahmen des Aktionsplanes Demografischer Wandel wurde der Abwasserverband Saale dabei unterstützt, seine seit 1960 wenig veränderten Strukturen zu analysieren und eine zukunftsfähige Entwicklung (technisch/ organisatorisch/ einrichtungsbezogen) zu beschreiten. Das Wasserwirtschaftsamt wurde dabei vom Geographischen Institut der Universität Bayreuth, Abteilung Stadt- und Regionalentwicklung, und von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Günthert professionell unterstützt.
Die 14 Kommunen, deren Abwasser im Verbandssammler gefasst und in der zentralen Kläranlage gereinigt wird, haben noch eigene Aufgaben im Abwasserbereich. Auch für sie soll eine zukunftsfähige Ausrichtung in technischer, organisatorischer und einrichtungsbezogener Hinsicht ermittelt werden. Vielfach ist noch Rückhaltevolumen zur Mischwasserbehandlung zu schaffen. Hier wäre ein verbandsübergreifender oder interkommunaler Ansatz geeignet, bauliche Investitionen auf ein Mindestmaß zu senken.
Die Kommunen unterliegen dem demografischen Wandel teils sehr stark (-8 bis -20% Bevölkerungsrückgang, Prognose 2025).
Die im Pilotprojekt gewonnenen Ergebnisse sind auch auf andere Kommunen und Verbände in Bayern übertragbar. Die Wasserwirtschaftsverwaltung kann die Erkenntnisse in verallgemeinerter Form zur Beratung nutzen.
Auswirkungen auf wasserrechtliche Vorgaben und letztlich die Verbesserung des derzeit unbe- friedigenden ökologischen Zustandes von vier Oberflächenwasserkörpern (OWK) der Sächsischen Saale sind abzusehen.
Gemeinsame Schmutzfrachtberechnung
Am 12. Dezember 2016 unterzeichneten die 14 Kommunen, deren Abwasser der Abwasserverband Saale reinigt, eine gemeinsame Vereinbarung mit dem Abwasserverband, dem Landratsamt Hof und dem Wasserwirtschaftsamt Hof. Für das Einzugsgebiet der Kläranlage wird nunmehr unter Regie des Abwasserverbandes eine gemeinsame Schmutzfrachtberechnung erfolgen.
Das ist eine komplexe wasserwirtschaftliche Methode, die auf der jährlichen Summe der organischen Abwasserinhaltsstoffe des gesamten Systems basiert. Davon werden einerseits die Leistungsfähigkeit der Kläranlage und andererseits das Aufnahmevermögen der Sächsischen Saale für Mischwassereinleitungen abgezogen. Was übrig bleibt, muss im Kanalnetz zurückgehalten werden, um den Gewässerschutz sicher zu stellen.
In den Städten und Gemeinden liegt überwiegend Mischkanalisation vor, bei der Schmutzwasser gemeinsam mit Niederschlagswasser zur Kläranlage geleitet wird. Bei Regen- oder Tauwetter steigt deshalb die Abwassermenge bis auf das 500-fache des sogenannten Trockenwetterabflusses an. Auf derartige Abflüsse kann weder ein Kanalsystem noch eine Kläranlage wirtschaftlich bemessen werden, deshalb verfügt jede Mischkanalisation über Entlastungsmöglichkeiten. Zum Schutz des Gewässers müssen jedoch Entlastungs-mengen und Frachten begrenzt werden. Um Mischwasser zurückzuhalten und vor einer Entlastung noch vorzureinigen, müssen entsprechende Becken oder Stauraumkanäle betrieben werden.
Im Einzugsgebiet der Kläranlage Hof besitzen die Städte und Gemeinden rund 150 Mischwasserentlastungen, davon sind über die Hälfte mit Becken oder Stauraumkanälen ausgestattet. Bevor nicht der Schutz des Gewässers sichergestellt ist, können die Behörden dafür keine langfristigen wasserrechtlichen Genehmigungen erteilen. Jede der 14 Kommunen ist derzeit in der Bringepflicht von Genehmigungsunterlagen für Mischwassereinleitungen. Mit der gemeinsamen Schmutzfrachtberechnung werden die Unterlagen nun auf einem einheitlichen fachlichen Niveau und kostengünstiger erstellt, als wenn jede Kommune einen Einzelauftrag an ein Ingenieurbüro erteilt hätte. Außerdem ist es dann möglich, die Mischwassereinleitungen einer Kommune in nur einem wasserrechtlichen Bescheid zusammenzufassen. Das verbessert die Übersichtlichkeit und senkt Verwaltungskosten. Das gemeinsame Vorgehen hat noch einen gewaltigen Vorteil: sämtliche Abwasserkanäle und angeschlossenen Bauwerke werden digital erfasst und miteinander rechnerisch überprüft. Nur so können die maximalen Rückhaltekapazitäten im Abwassernetz berücksichtigt werden. Bei der vereinfachten Betrachtung jeder Kommune einzeln wäre das nicht möglich. Nunmehr zählt das Gesamtsystem und falls weitere Becken oder Stauraumkanäle zum Rückhalt und zur Vorreinigung von Mischwasser erforderlich sind, kann deren Standort unabhängig von der kommunalen Zuständigkeit nach fachlichen und wirtschaftlichen Kriterien optimiert werden. Die Investitionskosten für wenige große Bauwerke liegen immer deutlich unter denen für zahlreiche kleine Bauwerke. Für eine verursacherbezogene anteilige Finanzierung werden dann Regelungen zu treffen sein.
In manchen Städten und Gemeinden sind vor dem Beginn der Schmutzfrachtberechnung noch Kanalnetzdaten zu erheben. Die gemeinsame Auftragsvergabe sichert auch dabei ein einheitliches fachliches Niveau und eine kostengünstige Erledigung.
Die anfangs genannte Vereinbarung hält unter Anderem die Grundsätze der Zusammenarbeit und der finanziellen Abwicklung fest. Die Vereinbarung war im Vorfeld von allen Teilnehmern konstruktiv diskutiert und bearbeitet worden. Der Abwasserverband Saale wird auf Grundlage der Vereinbarung die Federführung für die gemeinsame Schmutzfrachtberechnung übernehmen.
Der Abwasserverband Saale und seine sieben Mitgliedskommunen sowie deren sieben Gasteinleiter beteiligten sich seit April 2015 an dem vom Wasserwirtschaftsamt Hof koordinierten Projekt "Demografiebedingte Strukturanpassung in der Abwasserentsorgung – Herausforderungen und Möglichkeiten im Bereich des Abwasserverbands Saale". Es wurde vom bayerischen Umweltministerium gefördert und hat einen fachlichen und organisatorischen Informations- und Optimierungsprozess zum Ziel. Erkenntnisse sollten veröffentlicht werden und allen bayerischen Kommunen zu Gute kommen. Eine wertvolle Unterstützung im Projekt waren Professor Manfred Miosga von der Universität Bayreuth als Moderator und Professor Wolfgang Günthert von der Universität der Bundeswehr Neubiberg als Abwasserexperte.
Dass am 12. Dezember 2016 alle Beteiligten die Vereinbarung über die gemeinsame Schmutzfrachtberechnung unterzeichnet haben, ist ein Meilenstein im Projekt. Erstmals waren auch die Gasteinleiter in die Entscheidung direkt eingebunden. Was wegen der Einheit des Kanalnetzes notwendig ist und selbstverständlich erscheint, stellt im Umgang mit den Abwasserinfrastrukturen einen Fortschritt und zukunftsweisenden Mehrwert dar. Funktionierende Wasserinfrastrukturen sind das Rückgrat der Daseinsvorsorge für alle beteiligten Gemeinden.
Umweltmediation
Moderierte Verfahren sind im Umweltbereich eine zwar langwierige, aber Erfolg versprechende Möglichkeit, Differenzen zwischen Beteiligten an einer Thematik auszuräumen. Es wird davon ausgegangen, dass die Beteiligten im Grunde wissen, wie der Konflikt zu lösen wäre, jedoch auf dem Weg dorthin externe und unabhängige Unterstützung benötigen. Ziel einer Mediation ist es, eine gemeinsame Lösung oder Vereinbarung zu erreichen.
Im Pilotprojekt hat ein Team vom Geographischen Institut der Universität Bayreuth, Abteilung Stadt- und Regionalentwicklung, diese Aufgabe übernommen. Moderierte Verfahren folgen einem bewährten Ablauf, zu dem am Anfang die Definition von Zielen und Spielregeln gehört. Alle Beteiligten verabschieden diese im Konsens und können sich im Prozessverlauf darauf berufen. Im Rahmen des Projekts wurden dreizehn Veranstaltungen im moderierten Verfahren umgesetzt, davon zwei Einführungsworkshops, zehn Werkstätten und eine Abschlussveranstaltung sowie Sondierungsgespräche in zwei Runden (2015 und 2017). Das Wasserwirtschaftsamt Hof hat in den Projektverlauf die Wissensvermittlung über rechtliche und betriebliche Instrumente in der Abwasserableitung und -behandlung, wasserwirtschaftlich anerkannte Vergleichsmethoden und Finanzierungsmodelle eingebracht. Nach Möglichkeit wurden die Themen durch Erfahrungsberichte anderer kommunaler Träger untermauert.
Innenentwicklung
Die Innenentwicklung von Kommunen ist Teil einer raumplanerischen Strategie, um auf Veränderungen der Bevölkerungszahl zu reagieren, Zersiedelung zu vermeiden und vorhandene Infrastruktur neu zu nutzen. Dazu hat die bayerische Verwaltung für ländliche Entwicklung mit dem Vitalitäts-Check 2.0 ein Analyseinstrument geschaffen. Es bietet die Möglichkeit, eine umfassende Gemeindeentwicklung anhand der baulichen, funktionalen und sozialen Strukturen datenbankbasiert zu begleiten (Bevölkerungsentwicklung, Flächennutzung, Siedlungsstruktur und Bodenpolitik, Versorgung und Erreichbarkeit, bürgerschaftliches Engagement sowie Wirtschaft und Arbeitsmarkt).
Die Gemeinde Konradsreuth hat sich bereit erklärt, einen Vitalitäts-Check 2.0 durchzuführen und anteilige Kosten zu tragen. Neben den Handlungsempfehlungen zur Innenentwicklung war hier von Interesse, ob dieses Analyseinstrument für Belange der Abwasserableitung nutzbar ist. Bei der Datenerfassung zeigte sich jedoch, dass für den Vitalitäts-Check kaum abwassersystembezogene Informationen erhoben werden. Die Leerstandserhebung ist hingegen hilfreich für die Instandhaltung des kommunalen Abwassersystems. Geht die Zahl der angeschlossenen Einwohner zurück, leidet die Kanalisation an Ablagerungen, Abwasserfaulung und Schwefelsäurekorrosion. Wenn die Gemeinde dies nicht erkennt und z.B. mit öfteren Kanalspülungen reagiert, können bauliche Schäden am Kanalsystem eintreten.
Benchmarking
Alle Projektteilnehmer absolvierten das allgemeine Benchmarking Abwasser Bayern und zusätzlich ein auf Kanalunterhaltungsstrategien, Rechts- und Betriebssicherheit, Kalkulationsgrundlagen, Investitionsniveau und Kundenservice spezifiziertes Benchmarking. Obwohl die Teilnehmer ein Gefühl für ihre Stärken und Schwächen mitbrachten, stießen die Ergebnisse auf größtes Interesse. Die wichtigste Erkenntnis war, dass die Gebührenbelastung aller Teilnehmer hoch ist, obwohl eigentlich zu wenig Investitionen getätigt werden. Die Kanalunterhaltung erfolgt überwiegend nicht in ausreichendem Maß. Eine solide Daten- und Messgrundlage (Zustandsbewertung der Kanalisation, Fremdwasser) zur Steuerung der Abwasserbeseitigung fehlt mehrheitlich.